Pflege neu organisiert - für mehr Qualität und Bindung
Shownotes
Wie lässt sich Pflege so organisieren, dass Pflegequalität, Mitarbeiterbindung und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen gesichert sind? Die Caritas St. Heinrich und Kunigunde geht neue Wege und führt mit der „Leading Nurse“ eine fachverantwortliche Pflegefachkraft ein, die für eine feste Bewohnergruppe zuständig ist. Im Gespräch berichten Jenny Pavel, Leading Nurse, und Nadine Brunn, stellvertretende Einrichtungsleitung des Altenheims Altenkundstadt, wie dieses innovative Modell konkret umgesetzt wird – und welche positiven Effekte sich bereits zeigen.
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00:00:08: Ermutigende Blickwinkel, der Podcast zur nachhaltigen
00:00:12: Transformation. Nachhaltigkeit entsteht natürlich
00:00:16: durch Klarheit und durch Kompetenz. Wenn die Fachkräfte Verantwortung übernehmen
00:00:21: und übernehmen dürfen, verbessert sich natürlich die Qualität und die Fehlzeiten
00:00:26: sinken und die Zufriedenheit steigt.
00:00:31: Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge der dritten Staffel von Ermutigende
00:00:36: Blickwinkel, dem Podcast der Evangelischen Bank. Mein Name
00:00:39: ist David und ich freue mich, dass ihr eure wertvolle Zeit heute mit uns verbringt
00:00:43: und neugierig auf die heutigen Inhalte seid. Heute dreht sich unser
00:00:48: Gespräch rund um das Thema Arbeitgeberattraktivität in Zeiten
00:00:52: von Fachkräftemangel. Dazu schauen wir uns heute ein Leuchtturmprojekt aus
00:00:56: der Pflege an, das die aktuellen Herausforderungen aufgreift und sich
00:01:00: damit sowohl im Bereich der Pflegequalität, Mitarbeiterbindung und
00:01:04: auch der Wirtschaftlichkeit zukunftsfähig aufstellt.
00:01:07: Weil das Thema so umfassend ist, haben wir gleich doppelte
00:01:12: Power vor den Mikros. Zum einen begrüßen wir Nadine
00:01:16: Brunn. Sie ist die stellvertretende Leitung im Einrichtungsmanagement und
00:01:20: gibt uns Einblicke in ganzheitliche Prozesse. Zum anderen berichtet
00:01:24: aus der Praxis. Die Leading Nurse Jenny Pavel. Aus dem Altenheim Altenkunststadt
00:01:29: der Caritas Bamberg. Beide Arbeiten bei der Caritas gemeinnützigen
00:01:33: GmbH St. Heinrich und Kunigunde, einem Träger des Caritasverbandes
00:01:38: für die Erzdiözese Bamberg mit 16 stationären Altenpflegeeinrichtungen
00:01:42: und insgesamt fast Mitarbeiterinnen
00:01:47: und Mitarbeitern. Herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie sich für
00:01:50: unsere Zuhörenden Zeit nehmen. Hallo, ich freue mich, dass ich
00:01:55: heute hier sein darf. Hallo, schön, dass Sie bei uns
00:01:59: sind. Und bevor wir thematisch jetzt richtig einsteigen, kommt jetzt unsere
00:02:03: beliebte Schnellfragerunde. Zwei Begriffe, eine Entscheidung.
00:02:07: Ganz spontan, ohne Nachdenken, einfach sagen, was Ihnen eher liegt.
00:02:14: Schnell und ehrlich. Los geht's.
00:02:17: Pflegeplanung digital oder auf Papier?
00:02:21: Ganz klar. Pflegeplanung digital. Ah, wieso? Ganz klar,
00:02:25: weil das die Zukunft ist und viele Prozesse erleichtert.
00:02:28: Ja, wunderbar. Frau Pavel.
00:02:31: Pflegeplanung definitiv digital. Es ist einfach
00:02:36: papierschonender, umweltfreundlicher digital.
00:02:40: Man hat eigentlich immer Zugriff drauf, von daher
00:02:44: definitiv digital. Weiter geht's.
00:02:47: Frühdienst oder Spätdienst? Frau Bronn.
00:02:50: Also als ich noch aktiv in der Pflege gearbeitet habe, war auf jeden Fall
00:02:55: der Frühdienst mein Favorite. Ja, weil Sie einfach
00:02:59: der frühe Vogel sind oder woran liegt das genau? Ich bin Frühaufsteher schon immer
00:03:03: seit Kindheit. Ja. Und Frau Pavel, wie sieht das bei Ihnen
00:03:07: aus? Frühschicht, früh aufstehen geht tatsächlich
00:03:11: gut. Einfach, dass ich den Nachmittag für mich hab, hat beide
00:03:15: seine Vorteile. Ein gesunder Mix macht's.
00:03:19: So, kommen wir zum Kaffeepause oder
00:03:23: lieber frische Luft? Frische Luft. Ich gehe gern in die Natur.
00:03:27: Genau. Ja. Und nehmen wir an, Sie arbeiten gerade und machen
00:03:31: eine kleine Pause. Dann eher der Kaffee oder der Tee oder da auch die frische
00:03:35: Luft? Dann eher der Kaffee. Dann eher der Kaffee. Das kann ich
00:03:39: sofort unterschreiben. Geht mir ganz genauso. Frau Pavel, wie sieht das bei Ihnen
00:03:43: aus? Kaffeepause, definitiv Kaffeepause. Ich bin Kaffeetrinker.
00:03:46: Kaffee an der frischen Luft wäre natürlich optimal.
00:03:50: Alles klar. Frau Brunn, Frau Pavel, vielen, vielen Dank für Ihre schnellen
00:03:54: Antworten.
00:03:59: Worum geht es heute? Caritas St. Heinrich und Kunigunde
00:04:04: hat ein Leuchtturmprojekt zur zukunftsweisenden Reform des Pflegeorganisationssystems
00:04:09: in der stationären Langzeitpflege gestartet. Mit Dabei sind alle
00:04:13: 16 Einrichtungen. Damit hat die Caritas auf Herausforderungen wie
00:04:17: den gesellschaftlichen Wandel, Fachkräftemangel, das neue Personalbemessungsverfahren
00:04:21: und die generalistische Pflegeausbildung reagiert.
00:04:24: Schauen wir uns doch mal das Projekt an und sprechen wir
00:04:28: über die Motivationen. Frau Brunn, wann genau haben Sie das Projekt gestartet
00:04:33: und wie kam es dazu? Unser Projekt Leading Nurse, Das haben wir
00:04:37: 2023 gestartet. Wie sie schon richtig erwähnt hatten, war das die
00:04:41: Reaktion auf die Einführung der neuen Personalbemessung nach
00:04:46: Professor Rothgang? Da geht es ja hauptsächlich darum,
00:04:50: nach den tatsächlichen Bedarfen der Bewohner oder der Menschen zu schauen
00:04:54: und nicht nach festen Quoten von Fachkräften,
00:04:59: wie es früher war, also mindestens eine 50-prozentige Fachkraftquote einzuhalten,
00:05:03: sondern manchmal reicht es ja aus, wenn auch eine weitergebildete
00:05:09: Pflegekraft einen Menschen begleitet. Da muss es nicht immer die Fachkraft sein,
00:05:13: jemanden zu unterstützen oder zu begleiten oder mit dem spazieren zu gehen.
00:05:17: Und wir als träger von diesen 16 Pflegeeinrichtungen
00:05:21: standen natürlich vor der großen Wie können wir das
00:05:25: gut steuern managen, wenn wir trotzdem einen
00:05:29: steigenden Fachkräftemangel haben und dennoch
00:05:34: eine hochwertige Pflege sicherstellen wollen? Wir müssen den Wandel einfach aktiv
00:05:38: angehen. Und das Ganze als Gesamtsystem angucken
00:05:43: und somit einen Change Management Prozess in Gang bringen.
00:05:46: Bekommen. Ja, ich kann mir vorstellen, das Ganze ist sehr herausfordernd,
00:05:51: da auch in der Kommunikation alle Stakeholder, alle unterschiedlichen Gewerke
00:05:54: und auch die neuen Mitarbeiter innen ins Boot zu holen.
00:05:58: Das haben Sie richtig erkannt. Also man braucht dafür wirklich unglaublich
00:06:03: viel Kommunikation, Begleitung und Unterstützung.
00:06:06: Es müssen alle Mitarbeiter und alle Leitungspersonen
00:06:10: mit ins Boot geholt werden. Welche Ziele hat
00:06:14: denn das Projekt bzw. Wie lassen sich Pflegequalität,
00:06:18: Mitarbeiterbindung und Wirtschaftlichkeit gleichzeitig fördern?
00:06:22: Also das Projekt hat drei Einmal die Sicherung der Pflegequalität
00:06:27: trotz des Pflegemangels herzustellen, dann die
00:06:31: Stärkung der Fachkraftrolle an sich, das bindet
00:06:35: ja sowieso die Mitarbeiter und verbessert das Ganze. Und drittens
00:06:40: natürlich diese tragfähige wirtschaftliche Organisations.
00:06:44: Also wir haben nach einem systematischen Ansatz
00:06:48: gearbeitet, weil man Pflege nie isoliert betrachten darf, sondern immer
00:06:52: als Teil eines Gesamtsystems. Und wenn wir natürlich innerhalb
00:06:57: dieses Projektes die Abläufe klar definieren und Verantwortlichkeiten
00:07:01: transparent darstellen und die Teams, die miteinander arbeiten,
00:07:05: auch noch qualifizieren auf allen Ebenen,
00:07:08: dann entsteht natürlich auch Effizienz und Ressourcen werden frei
00:07:12: und auch mehr Motivation und Eigenverantwortung für den Einzelnen.
00:07:17: Ja, das ist dann wahrscheinlich der Optimalzustand, wie das Ganze
00:07:20: laufen soll. Vielen Dank schon mal für den Einblick. Gab es denn
00:07:24: Vorbilder oder Inspirationen für die neue Organisationsform? Frau Brunn?
00:07:28: Ja, sicherlich gab es bei der Entwicklung der neuen Organisationsform
00:07:32: Impulse von außen, aber wir wollten einfach
00:07:36: kein bestehendes System kopieren, sondern wir wollten tatsächlich ein neues entwickeln
00:07:41: und haben uns dann auch ganz speziell für
00:07:45: die Einführung dieses neuen Begriffes Leading Nurse entschieden, weil er
00:07:49: für eine Weiterentwicklung des Systems steht. Also er steht
00:07:53: zum einen für die Person Leading Nurse, die wir als
00:07:57: führungsverantwortliche Rolle der Fachkraft sehen,
00:08:01: aber er steht auch für die Organisationsentwicklung.
00:08:05: Wir haben ja umfassend qualifiziert in diesem Projekt alle
00:08:10: Berufsgruppen mitgenommen und er steht natürlich für den Change,
00:08:14: also für die Veränderung oder für den Veränderungspunkt durch die Neustrukturierung
00:08:18: der Aufgaben und die Zuordnung von Verantwortlichkeiten.
00:08:22: Ja, Frau Brunn, können wir da etwas konkreter reingehen? Was bedeutet
00:08:26: das in Ihrem Haus? Also welche Veränderungen wurden angestoßen?
00:08:30: Also wir haben vor allem, wie schon gesagt, die Aufgaben und Verantwortungsbereiche
00:08:34: völlig neu zugeordnet. Ich nehme jetzt einfach mal dieses
00:08:39: Beispiel. Früher hießen bei uns auf den Wohnbereichen
00:08:43: gab es eine Wohnbereichsleitung, die hat ganz klassisch den Dienstplan
00:08:48: geschrieben und die Mitarbeiter nach ihren Ressourcen eingesetzt.
00:08:52: Das war zum Beispiel ein Baustein, den wir völlig verändert haben.
00:08:55: Wir haben die Wohnbereichsleitungen jetzt umbenannt als Teamleitungen.
00:09:00: Die machen jetzt keinen Dienstplan mehr. Der wurde eine Ebene
00:09:04: nach oben geschoben zur Pflegedienstleitung. Und die Teamleitungen haben
00:09:08: natürlich die einzige Aufgabe, die Mitarbeiterförderung,
00:09:13: die Mitarbeiterentwicklung. Wie kann ein Team gut miteinander
00:09:17: funktionieren? Die haben einen ganz anderen Blickwinkel bekommen.
00:09:20: Ja, Sie haben gesagt, die einzige Aufgabe, aber die hat es auf jeden Fall in
00:09:23: sich, oder? Ja, das ist eine sehr große Aufgabe, die wohl
00:09:27: in einem klassischen System früher viel zu kurz kam. Wunderbar.
00:09:31: Und da wir ja auch hier eine Expertin aus der Praxis
00:09:35: haben, wollen wir sie doch auch mal zu Wort kommen lassen. Frau Pavel, was genau
00:09:39: ist denn eigentlich eine Leading Nurse? Als Leading
00:09:43: Nurse bin ich die zentrale Ansprechpartnerin für Bewohner, für Angehörige,
00:09:47: Ärzte, für das gesamte Team. Ich plane,
00:09:51: steuere und evaluiere natürlich die Pflege,
00:09:55: leite Kolleginnen und Kollegen an und sorge
00:09:59: dafür, dass die Informationen zusammenlaufen. Das ist
00:10:03: anspruchsvoll, aber unglaublich bereichernd.
00:10:07: Super, vielen Dank. Frau Pavel. Schauen wir uns jetzt mal
00:10:10: den Finanzierungsaspekt an. Wie finanziert sich
00:10:15: eigentlich ein solches großes Projekt und sind noch weitere Partner
00:10:19: im Boot? Frau Brunn. Also wir hatten natürlich das große Glück,
00:10:22: dass das Projekt durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit,
00:10:26: Pflege und Prävention gefördert wurde. Das ist ein Projekt,
00:10:30: das im Rahmen von dem Modellvorhaben der
00:10:34: Umsetzung zur Personalbemessung nach 113c gefördert
00:10:38: werden konnte. Wissenschaftlich hatten wir die Evangelische
00:10:43: Hochschule Nürnberg an Bord und die Katholische Akademie
00:10:47: in Regensburg hat natürlich alle Qualifizierungen der Berufsgruppen,
00:10:52: insbesondere der Leading Nurses, aber auch der Pflegefachhelfer und Pflegehelfer durchgeführt.
00:10:56: Somit hatten wir eine enge Kooperation von Praxis,
00:11:00: Wissenschaft und Bildung zugleich, was eigentlich sich im Nachhinein
00:11:05: als erfolgreich herausgestellt hat. Ja, oft ist
00:11:09: es ja so, dass eine Anfangseuphorie da ist, am Anfang auch
00:11:13: Fördergelder da sind, Aber wie stellen Sie sicher, dass die neuen Strukturen
00:11:16: auch langfristig wirtschaftlich tragfähig sind?
00:11:19: Nachhaltigkeit entsteht natürlich durch Klarheit und durch Kompetenz.
00:11:24: Wenn die Fachkräfte Verantwortung übernehmen und übernehmen dürfen,
00:11:28: verbessert sich natürlich die Qualität und die Fehlzeiten sinken
00:11:31: und die Zufriedenheit steigt. Und das wiederum wirkt sich direkt
00:11:35: auf die Wirtschaftlichkeit aus und wir haben ja
00:11:39: mit unserem Musterhaus Prozesse standardisiert und
00:11:43: festgelegt, die den Rahmen darstellen und
00:11:47: die individuelle Anpassungsfähigkeit der Häuser dennoch nicht
00:11:50: eingeschränkt. Also jeder durfte in diesem Musterhaus den
00:11:54: Rahmen einhalten, aber durfte dennoch Kleinprojekte in
00:11:59: diesem Haus durchführen. Das klingt auf jeden Fall spannend und
00:12:03: es wurden auch Mitarbeiter innen ermutigt, sich da auch auszuprobieren,
00:12:07: wie ich das raushöre. Genau, richtig.
00:12:14: Jetzt haben wir schon mal einen Einblick über das Projekt bekommen und jetzt schauen
00:12:18: wir uns mal die Erfahrungswerte der Mitarbeiter-innen und auch
00:12:22: den Aspekt der Leading Nurses an. Frau Pavel,
00:12:25: welchen Mehrwert stiftet das Projekt aus Ihrer Sicht für die Mitarbeiter
00:12:29: innen und wie wurde es im Kollegium aufgenommen? Das war
00:12:33: bestimmt auch nicht einfach. In der Anfangsphase ging
00:12:37: es vor allem darum, Strukturen zu schaffen. Zuständigkeiten mussten geklärt werden,
00:12:41: Abläufe mussten angepasst werden,
00:12:43: Kommunikationswege mussten festgelegt werden.
00:12:46: Das war essentiell, um eine stabile Basis für
00:12:50: den normalen Regelbetrieb zu schaffen. Im Alltag bin
00:12:54: ich als Leading Nurse von Anfang an verantwortlich ab der Aufnahme des
00:12:58: Bewohners. Das heißt, ich beginne mit den Erstgesprächen,
00:13:01: bevor die Bewohner überhaupt einziehen. Und da kann ich mir dann
00:13:05: schon mal ein Bild davon machen, was der pflegebedürftige Bewohner
00:13:10: eben benötigt. Ich sammle alle relevanten Informationen,
00:13:14: plane die pflegerischen Maßnahmen, delegiere Aufgaben
00:13:18: an Helfer und begleite sie fachlich. Dadurch bin ich
00:13:22: natürlich dann auch im engen Austausch mit Angehörigen und Ärzten Natürlich.
00:13:26: Diese Rolle verlangt natürlich sehr viel Kommunikation,
00:13:31: Koordination, Empathie und vor allem vorausschauende
00:13:36: Planung. Welche Aufgaben haben sie als Leading Nurse während der Umsetzungsphase.
00:13:40: Und jetzt im laufenden Betrieb? Die Leading Nurse ist die zentrale
00:13:44: Bezugsperson. Das schafft Vertrauen, weil man die Bewohner und
00:13:48: die Bedürfnisse wirklich näher kennt. Man weiß eher,
00:13:52: was die Bewohner brauchen, Man weiß eher, was die Bewohner wollen oder was
00:13:56: sie vielleicht auch nicht wollen. Für uns bedeutet es mehr Selbstwirksamkeit für
00:14:01: die Bewohner, Kontinuität und Nähe. Also Sie wissen, an wen sie
00:14:05: sich wenden können und tun das auch. Und auch die Pflegehelfer
00:14:10: und die Hauswirtschaftskräfte übernehmen bewusst Verantwortung und
00:14:14: das stärkt wirklich das ganze Team.
00:14:20: Welche konkreten Verbesserungen konnten Sie denn bereits beobachten,
00:14:24: zum Beispiel in der Pflegequalität oder der Mitarbeiterzufriedenheit. Frau Brock, Sie haben
00:14:28: ja auch schon ein paar Aspekte angesprochen, welche gibt es denn noch? Genau, die Hochschule
00:14:32: evaluiert ja das Projekt und begleitet es wissenschaftlich und
00:14:35: da konnte tatsächlich eine deutliche Steigerung der Pflegequalität schon
00:14:39: festgestellt werden und eine hohe Zufriedenheit der Bewohner. Ich selber habe
00:14:44: das mal ausgewertet an ein paar Zahlen, auch beim Träger,
00:14:49: nämlich dem Eingang der Beschwerden, also in den Jahren 22
00:14:52: bis 25 und da konnten wir jetzt feststellen,
00:14:57: dass 90 Prozent der Beschwerden seit Projektstart
00:15:01: eigentlich gesunken sind, die bei uns beim Träger ankamen.
00:15:06: Und das ist, finde ich, schon ein messbarer Erfolg. Und das
00:15:10: hat damit zu tun, dass die Verantwortung tatsächlich
00:15:15: bei der Leading Nurse liegt, der Bewohner quasi oder
00:15:19: sein Angehöriger sich mit kleinen Beschwerden direkt an seine
00:15:24: Bezugsperson wenden kann und die sich auch um die einzelnen Details
00:15:28: dann auch kümmert, beispielsweise wenn eine schwarze Hose
00:15:32: verschwunden ist in der Wäscherei oder wenn die Prothese nicht passt.
00:15:36: Der Prozess der Beschwerden wird gleich abgefangen, bevor sie
00:15:40: dann beim Träger ankommt und das glaube ich, ist wirklich ein
00:15:44: messbarer Erfolg. Das hört sich definitiv danach an. Frau Pavel,
00:15:49: was konnten Sie beobachten? Ja, auch im Team spüren wir
00:15:53: die Veränderung, es herrscht mehr Zusammenhalt, klare Strukturen
00:15:57: entlasten den Alltag und die Arbeit wird wieder als
00:16:00: sinnvoll erlebt. Was hat Sie persönlich Am meisten überrascht, Frau Pavel?
00:16:05: Wie stark sich klare Verantwortlichkeiten auf die Stimmung auswirken.
00:16:08: Also jeder weiß jetzt wirklich, was er zu tun hat. Es entsteht
00:16:13: einfach Energie und wirklich Freude an der Arbeit. Klare Strukturen
00:16:18: regeln das einfach. Und Frau Brunn, was hat Sie denn am meisten überrascht?
00:16:22: Am meisten überrascht hat mich eigentlich, dass die Ressource
00:16:27: der Mitarbeiter sehr vielfältig ist, dass sich die Mitarbeiter eigentlich
00:16:31: darauf eingelassen haben, sich zu verändern. Das hat,
00:16:34: wie gesagt, am Anfang sehr viel Kommunikation bedeutet, aber inzwischen,
00:16:39: glaube ich, möchte auch kein einziger Mitarbeiter mehr zurück
00:16:44: in das alte System, weil es für alle Entlastung bedeutet.
00:16:48: Und ich glaube, das hat mich schon überrascht, dass wir doch sehr flexible Mitarbeiter
00:16:52: auch haben. Sie haben ja schon von Erfolgsfaktoren gesprochen,
00:16:56: aber welche haben sich noch mal ganz konkret herauskristallisiert? Also wenn
00:17:01: es um Erfolgsfaktoren geht, dann glaube ich, ist und war eines
00:17:05: ganz entscheidend und zwar die Unternehmerische Entscheidung ganz zu Beginn
00:17:09: des Projektes mit einer klaren Umsetzungsverpflichtung.
00:17:13: Und ohne dieses Commitment mit den Einrichtungsleitungen, aber auch mit
00:17:18: den Pflegedienstleitungen wäre vieles, glaube ich, nicht umsetzbar und
00:17:22: möglich gewesen. Aber genauso wichtig, glaube ich, als Erfolgsfaktor
00:17:26: war die Partizipation. Also wir haben dieses Musterhaus
00:17:30: ja nicht alleine beim Träger entwickelt, sondern wir haben das gemeinsam mit den
00:17:35: Mitarbeitenden, die Bestandteil oder beim Projektkernteam
00:17:40: dabei waren, entwickelt. Und das hat nicht nur zur Akzeptanz
00:17:44: geführt, sondern auch zu einer echten Identifikation mit
00:17:48: dem Konzept. Ein weiterer Erfolgsfaktor oder ein zentraler
00:17:52: Erfolgsfaktor war, glaube ich, auch die Begleitung durch unsere externen
00:17:56: Experten, also die Hochschule als auch die Katholische Akademie,
00:18:00: die uns in diesem Veränderungsprozess unterstützt
00:18:04: haben. Sie haben uns immer wieder Impulse gegeben,
00:18:08: Perspektiven eröffnet und geholfen,
00:18:10: strukturiert vorzugehen. Und was natürlich
00:18:14: am Ende nie fehlen darf, ich hatte es schon ein paar Mal erwähnt, ist diese
00:18:19: offene Kommunikation, auch Stolpersteine klar
00:18:23: anzusprechen über alle Ebenen hinweg. Und so
00:18:27: entsteht Vertrauen und nur so kann Veränderung wirklich gelingen.
00:18:31: Ja, Sie haben von Stolpersteinen gesprochen. Haben Sie da
00:18:35: was Konkretes im Kopf, was Sie mit uns teilen wollen? Tatsächlich, ich habe was
00:18:39: Konkretes im Kopf, und zwar, wenn es an der Spitze oder an der Leitung,
00:18:43: also wenn sich Leitungen wechseln, ändern innerhalb
00:18:47: der Projektphase, es zu Veränderungen kam
00:18:51: oder Leitungen diesen Mehrwert dieses Projekts
00:18:56: nicht für sich so erkannt hatten, dass es an die Mitarbeiter motivierend weitergeben.
00:19:00: Das ist tatsächlich ein Stolperstein gewesen. Und deswegen habe ich gesagt, dieses Commitment
00:19:05: am Anfang mit den Leitungen, das war
00:19:09: wirklich ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor. Genau, die Führungskräfte
00:19:14: erstmal überzeugen, motivieren, mit ins Boot holen, die haben dann eine
00:19:18: unglaubliche Strahlkraft sozusagen zu den Mitarbeitenden.
00:19:21: Genau, das war tatsächlich so, dass Vorurteile erstmal
00:19:26: ausgeräumt werden mussten. Es mussten viele Einzelgespräche auch geführt werden,
00:19:29: was unglaublich viel Zeit erfordert hat.
00:19:33: Aber wie gesagt, am Ende, es lohnt sich wirklich und es braucht aber
00:19:37: einen langen Atem. Wie geht es denn eigentlich mit dem Projekt
00:19:41: weiter? Also gibt es Pläne, das Modell auch anderen Trägern zugänglich zu machen
00:19:45: zum Beispiel? Ja, auf jeden Fall. Also unser Musterhaus, das werden
00:19:49: wir bis zum Jahresende abschließen und
00:19:53: es soll dann als übertragbares Rahmenkonzept dienen für andere Träger.
00:19:58: Es wäre schön, oder ist es auch Ziel, dass es nicht nur in Bayern
00:20:02: wirkt, sondern auch über die bayerischen Grenzen hinaus. Das ist so unser
00:20:06: Vision, mit der wir gerne dieses Konzept
00:20:10: weitertragen möchten. Bei uns geht es sowieso weiter. Also unser
00:20:15: Projekt endet jetzt zum Jahresende und wir haben nächstes Jahr eine
00:20:19: große Abschlussveranstaltung dazu. Aber bei uns wird es definitiv
00:20:23: nach diesen Qualifizierungen, also die Qualifizierungen werden weitergehen,
00:20:27: die Organisationsentwicklung wird weitergehen und wir werden an dem System
00:20:31: mit der Leading Nurse weiterhin festhalten. Und da wünsche ich Ihnen ganz,
00:20:35: ganz viel Erfolg.
00:20:45: Werfen wir noch mal einen Blick in die Zukunft. Was wünschen Sie sich von Politik
00:20:49: und Gesellschaft, um solche Reformen zu unterstützen? Das ist
00:20:53: eine gute Frage. Was würde ich mir für die Zukunft wünschen? Also auf jeden
00:20:58: Fall mehr Freiraum für Innovationen, weniger Bürokratie,
00:21:02: flexible Finanzierungsmodelle, damit gute
00:21:06: Ideen für andere umsetzbar sind. Denn die meisten
00:21:10: guten Ideen scheitern nicht an der Motivation der Unternehmen,
00:21:14: sondern eher an den fehlenden Rahmenbedingungen oder an den
00:21:19: Hürden, die es so gibt. Und nur so können unsere Erfahrungen auch
00:21:24: echte Wirkung entfalten, über die Einrichtungen der Caritas natürlich hinaus.
00:21:28: Dazu braucht es klare Strategien, um solche Ansätze
00:21:32: in die Breite zu tragen. Wenn gute Konzepte einfach lokal
00:21:36: bleiben, dann verschenken wir da wertvolle Ressourcen und wertvolle
00:21:41: Chancen für die Weiterentwicklung der Pflege im Allgemeinen. Und deswegen
00:21:45: wäre jetzt so mein Wunsch auch an das Ministerium,
00:21:48: das aufzugreifen und anderen strukturiert
00:21:53: zur Verfügung zu stellen. Vielen Dank, Frau Brunn, für Ihre
00:21:56: Wünsche. Frau Pavel, was wünschen Sie sich
00:22:00: denn? Ja, dass die Ergebnisse einfach nicht in der Schublade verschwinden,
00:22:04: sondern das, was wir entwickelt und umgesetzt haben, hat wirklich
00:22:09: das Potenzial, übergreifend für andere Einrichtungen,
00:22:13: für alle Einrichtungen als Blaupause zu dienen, als Vorbild
00:22:17: zu dienen. Jetzt ist natürlich das Ministerium gefragt.
00:22:20: Die Ergebnisse sollten aktiv aufgegriffen und
00:22:25: systematisch an andere Träger weitergegeben werden. Vielen Dank.
00:22:29: Jetzt wird es wieder mutig im besten Sinne. In unserer
00:22:33: Kategorie Mutmacher wollen wir hören, was Ihnen in letzter Zeit besonders
00:22:37: kam, Kraft gegeben oder sie inspiriert hat.
00:22:45: Mutmacher. Was möchten Sie unseren Hörerinnen
00:22:49: und Hörern heute mit auf den Weg geben? Frau Bruhn?
00:22:51: Veränderungen brauchen einfach Mut. Mut beginnt mit
00:22:56: dem ersten Schritt und man muss vieles vielleicht bedenken
00:22:59: oder überdenken, aber auch einfach mal machen.
00:23:03: Das ist So meine Grundbotschaft, die ich für alle habe,
00:23:07: weil im Tunnel entsteht so viel und das Projekt Leading
00:23:11: Nurse zeigt, dass der Wandel gelingen kann, wenn Menschen bereit sind, einfach Verantwortung
00:23:15: zu übernehmen und dies nicht gleichzusetzen ist mit einer Überforderung,
00:23:19: sondern eher als Chance begreifen, die eigene Rolle und die eigenen
00:23:23: Aufgaben neu zu gestalten und den Sinn zurück in den Alltag
00:23:27: zu bringen. Man braucht Mut. Ja, es lohnt sich,
00:23:31: aber man muss einfach mal anfangen und mit dem ersten Schritt beginnen.
00:23:35: Genau. Selbst tolle Ideen wollen auch umgesetzt werden.
00:23:39: Vielen Dank, Frau Pavel. Was hat Sie besonders
00:23:43: inspiriert? Ich habe heute als Mutmacher mitgebracht einen Spruch,
00:23:48: den ich gefunden habe, der wirklich in dem Zusammenhang wirklich
00:23:52: sehr gut ist. Und wir können nicht entscheiden,
00:23:55: wie und wann wir sterben, aber wir können entscheiden,
00:23:59: wie wir gelebt haben, ist von John Bös und
00:24:04: ich finde, passt in dem Zusammenhang wirklich sehr gut,
00:24:07: weil man gerade einfach im Alter dann noch
00:24:12: wirklich selbst entscheiden kann, ja, wie man wie
00:24:16: man leben möchte, auch wenn man das vielleicht alles nicht mehr
00:24:19: selbstständig umsetzen kann, aber vielleicht die Entscheidungen noch treffen
00:24:28: Ja, und da sind wir auch schon am Ende angekommen. Vielen Dank für Ihre Zeit
00:24:31: und Ihre Expertise. Das war definitiv ein spannender Austausch mit
00:24:36: zwei unterschiedlichen Perspektiven. Ein Projekt, das Mehrwert in
00:24:39: mehrere Richtungen liefert und unterschiedliche Herausforderungen adressiert.
00:24:44: Vielen Dank, Frau Prunn, Frau Pavel, vielen Dank. Vielen Dank,
00:24:48: dass ich teilnehmen durfte. Vielen Dank für das angenehme Gespräch.
00:24:52: Ja, und wir freuen uns wie immer auf euer Feedback auf unseren Social Media Kanälen
00:24:56: oder über unsere Website.
00:25:01: Ich freue mich auf die nächste Folge und bis zum nächsten Mal.
00:25:06: Schön, dass ihr dabei wart. Abonniert uns für weitere ermutigende Inhalte
00:25:11: zur nachhaltigen Transformation in Kirche, Gesundheits und Sozialwirtschaft.
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